Ein Anschluss für die ganze Welt

Gut sieben Milliarden USB-Geräte gibt es auf diesem Planeten. Doch der Mann, der USB erfand, ist vielen Menschen unbekannt geblieben - auch deshalb, weil sich Ajay Bhatt in einem entscheidenden Moment doubeln ließ.

Bhatt
von Hanno Charisius

Er sorgte dafür, dass aus „plug’n pray“ schließlich doch noch „plug’n play“ wurde: Ajay Bhatt.

Düsseldorf.Der USB-Anschluss ist eine von diesen Erfindungen, die jeder benutzt, aber kaum jemand wirklich würdigt. Er stellt die Verbindung zwischen Computern und ihrer Umgebung her – und wohl weil das so gut funktioniert, nimmt kaum jemand Notiz von ihm. Aber das war nicht immer so.

Als die ersten Computer mit den neuen Anschlüssen im Jahr 1996 auf den Markt kamen, ersetzten die Nutzer schnell den Werbeclaim „plug’n play“ – anschließen und loslegen – durch das Stoßgebet „plug’n pray“ – anschließen und beten. Weil der „Universal Serial Bus“ in den damaligen Computern noch nicht wirklich nahtlos eingebunden war, geriet es zur Glückssache, ob die neue USB-Tastatur schon von Windows 95 erkannt wurde. Das sollte sich erst nach der Jahrtausendwende mit dem seinerzeit nagelneuen Windows XP ändern.

Auf der Straße wird er allerdings noch immer nicht erkannt. Bhatt hatte sich nämlich durch den Schauspieler Sunil Narkar vertreten lassen. Denn vor einer Kamera, das bekennt der USB-Pionier, würde er sich nicht besonders wohl fühlen.

Auf der Straße wird er allerdings noch immer nicht erkannt. Bhatt hatte sich nämlich durch den Schauspieler Sunil Narkar vertreten lassen. Denn vor einer Kamera, das bekennt der USB-Pionier, würde er sich nicht besonders wohl fühlen.

Heute gibt es auf diesem Planeten mehr als sieben Milliarden Geräte mit USB-Anschluss. Alles was sich mit dem Computer per Kabel verbinden soll – von der Webcam, Fotoapparat oder MP3-Spieler über DVD-Brenner und Tastaturen bis hin zu mobilen Festplatten – kommuniziert mit dem Computer über diese Universalschnittstelle, die Geräten wie Mobiltelefonen auch noch gleichzeitig den Akku auflädt.

Wildwuchs eindämmen

Dass wir den USB-Anschluss heute täglich benutzen ohne es zu merken, ist zum großen Teil das Verdienst des Ingenieurs Ajay Bhatt, der zusammen mit seinen Kollegen Shaun Knoll, Jeff Charles Morriss, Shelagh Callahan und Sudarshan Bala Cadambi Anfang der 1990er Jahre begann, das Kabel-Chaos um die Computer herum zu bekämpfen. Ein einziger Rechner konnte damals leicht fünf verschiedene Schnittstellen für den Anschluss von Peripheriegeräten vorweisen. Das Team von Intel-Mitarbeitern wollte aber nicht nur diesen Wildwuchs eindämmen, sondern auch ein System erschaffen, das erlaubt, Gerätschaften während des Betriebs an- und abzustöpseln. Heute Standard, damals ein Novum, nach dem sich viele Anwender sehnten.

Nicht selten musste man in diesen Zeiten noch den Computer aufschrauben und eine Steckkarte mit dem passenden Anschluss etwa für einen neuen Scanner eigenhändig einbauen. Daran schloss sich die Installation von neuer Treibersoftware an, verbunden mit stummen Gebeten, dass sie kompatibel sein möge mit dem Rechner unter dem Schreibtisch. Das muss ein Ende haben, dachte sich Bhatt, der als Intel-Ingenieur mit all dem noch vergleichsweise gut klar kam – jedenfalls besser als der durchschnittliche PC-Nutzer.

USB-Sticks gibt es heute in unzähligen Farben und Formen.

USB-Sticks gibt es heute in unzähligen Farben und Formen.
Quelle: ap

Schon als Bhatt noch in seinem indischen Elternhaus lebte, war er derjenige, der sich um alles Elektrische und Elektronische kümmerte. Aus der Bastelleidenschaft wurde ein Studienfach. Als Student an der City University in New York half er mit, ein Videosystem für das Space Shuttle zu entwickeln, und noch bevor er seine Doktorarbeit abschließen konnte, wurde er bei Intel eingestellt und zog nach Portland an die Westküste der USA.

Vorbild für die neue Computerschnittstelle, die zukünftig mit allen erdenklichen Peripheriegeräten sprechen können sollte, war die gemeine Steckdose. Noch so ein Gegenstand unserer modernen Welt, dessen Anwesenheit wir nur dann zu schätzen wissen, wenn er nicht zur Stelle ist. Der „universelle serielle Bus“ sollte so einfach zu bedienen sein, wie die wandmontierten Energiespender: einstecken – fertig. Doch um das möglich zu machen, mussten Bhatt und seine Kollegen zunächst eine gemeinsame Sprache für Computer und Peripheriegeräte entwickeln.

In den Zeiten vor dem USB kommunizierte jedes Gerät in seinem eigenen elektronischen Kauderwelsch mit dem Computer, der so bei mehreren angeschlossenen Apparaten leicht durcheinander kommen und abstürzen konnte. Bhatts Lösung für das digitale Babylon war ein Übersetzer, der verhindert, dass der Computer sich an Konflikten zwischen einzelnen Gerätschaften abarbeitet. Dabei hilft ihm ein Kontrollchip, der jedem Gerät, das per USB angeschlossen wird, eine eigene Nummer gibt.

Erst die zweite Stufe bringt den Durchbruch

127 digitale Anhängsel kann ein einzelner Controller verwalten. Sobald das gerade angeschlossene Gerät seine Identifikationsnummer vom Computer bekommen hat, berichtet es ihm, was es für ein Ding es ist: Tastatur, Maus, Festplatte, Scanner, Telefon – was auch immer. In der Regel weiß dann der Controller sofort, wie er mit dem neuen Klienten zu kommunizieren hat. Nur bei ausgefallener Hardware ist noch eine Treiberinstallation notwendig.

Die erste USB-Generation funktionierte aber noch längst nicht so, wie wir es heute gewöhnt sind. Erst die zweite Evolutionsstufe, die ab dem Jahr 2000 verbaut wurde, brachte die geplante Akzeptanz und damit die schier unbegrenzte Verbreitung. Neben der Zuverlässigkeit bestach USB Version 2.0 vor allem durch eine hohe Datenrate, die Produkten wie externe CD-Brenner, USB-Speichersticks und -Festplatten überhaupt erst einen praktischen Sinn gaben.

Mit der schnelleren Version 2 erschufen die Softwarekonzerne, Computer- und Chiphersteller, die sich zum USB-Konsortium zusammen gefunden hatten und sich auf die 650 Seiten lange Spezifikationsliste für den USB-Port einigten, auch gleich noch einen neuen Markt. Bereits die erste Generation hätte externe Massenspeicher unterstützt, allein die dünne Datenrate von höchstens anderthalb Megabyte pro Sekunde machte diese Option unbrauchbar. In den Kabeln der Versionen 1 und 2 transportierten jeweils zwei Leitungen die Daten und zwei weitere übernahmen die Stromversorgung des angeschlossenen Gerätes.

Niemand aus dem Erfinderteam konnte ahnen, dass nur wenige Jahre später der USB-Anschluss zum universellen Stromspender für Mobilgeräte aller Art aufsteigen würde. USB Version 3.0, die sich bei den großen Datenspeichern gerade als Anschluss der Wahl durchsetzt, benötigt für die höheren Datenraten vier weitere Kabel und kann damit zumindest theoretisch 500 Megabyte pro Sekunde transportieren.

Intel will Bhatt zur Berühmtheit machen

Die meisten Menschen aber benutzen den USB-Anschluss ohne dieses technische Detailwissen, wahrscheinlich sogar, ohne den Namen der Technologie zu kennen – ganz zu schweigen vom Namen ihres Erfinders. Das wollte Intel ändern. 2009 sorgte das Unternehmen mit einer Reihe von Werbespots für Aufsehen, in denen es seine Mitarbeiter präsentierte. In einem davon hat auch Bhatt einen Auftritt: Mit ordentlich gescheiteltem Haar, Kugelbauch, Schnauzbart und Pullunder betritt er begleitet von Gitarren-Sound die Kaffeeküche eines futuristischen Intel-Labors, versetzt die darin versammelten Mitarbeiter in Aufruhr – als würde ein Rock-Star den Raum betreten – und verteilt schließlich Autogramme.

Auf der Straße wird er allerdings noch immer nicht erkannt. Bhatt hatte sich nämlich durch den Schauspieler Sunil Narkar vertreten lassen. Denn vor einer Kamera, das bekennt der USB-Pionier, würde er sich nicht besonders wohl fühlen.

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