Mehr Power für Solar

Mit Jörg Horzel gehört einer der Pioniere der Solartechnik zu den Nominierten des Europäischen Erfinderpreises 2013. Seine Geschichte zeigt, wie eng Erfolg und Misserfolg im Solarzellen-Geschäft beieinander liegen.

Horzel
von Ralf Grötker

Jörg Horzel gehört zu jenen Pionieren, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass Solarzellen sich als Energiequelle etablieren konnten.

Düsseldorf. Strom aus Sonnenstrahlen! Anfang der 80er Jahre war das noch Zukunftsmusik. Der Wissenschaftspublizist Hoimar von Ditfurth zeigte in seiner TV-Show, wie’s funktioniert. Das Fernsehstudio wurde kurzerhand in eine Sandgrube verlegt. Übertragungstechnik und Kameras betrieb man mit Hilfe der damals noch neuartigen Solarzellen.

Unter den Zuschauern daheim am Bildschirm: ein 16jähriger Junge in Malsch bei Karlsruhe. Er ist begeistert. „Das ist es!“

Mit der Schule fertig, beginnt der Junge, er heißt Jörg Horzel, ein Physikstudium. 1991 hält er sein Abschlusszeugnis in der Hand. Nur: Von Solartechnik will just in jenen Jahren niemand etwas wissen. Ölknappheit und Klimawandel sind damals noch keine großen Themen.

Horzel verdingt sich zwei Jahre im Bereich Messtechnik, bevor er sich als Doktorand beim belgischen Mikroelektronik-Forschungszentrum IMEC bewirbt – einem der damals international führenden Institute für Solartechnik. Eine Woche später wird er zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Wiederum eine Woche später unterschreibt er einen Arbeitsvertrag.

Der Traum der Jugendzeit ist am Ende ein Stück weit wahr geworden: Horzel gehört heute zu jenen Pionieren, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass Solarzellen sich als Energiequelle etablieren konnten. Eine Leistung, die dem Forscher die Nominierung für den Europäischen Erfinderpreis 2013 eingebracht hat. Seine Geschichte zeigt aber auch, wie eng Erfolg und Misserfolg im Solarzellen-Geschäft beieinander liegen.

Entscheidend für den Siegeszug der Solarenergie ist eine enorme Verbesserung im Preis-Leistungsverhältnis. Wer im Jahr 1990 eine Leistung von einem Kilowatt Peak Strom auf seinem Dach installieren wollte, musste dafür noch 14.000 Euro zahlen. Derzeit liegt der Preis nur noch bei um die 2000 Euro Systemkosten pro Kilowatt Peak. Für die damit erzielten Stromkosten bedeutet das: Solarstrom kann heute mit Erzeugerpreisen von um 20 Cent pro Kilowattstunde mit konventionell erzeugtem Strom mithalten.

Horzel schätzt, dass heute ungefähr die Hälfte aller Solarzellen-Produzenten Verfahren einsetzen, die auf seine Entwicklung zurückgehen.
Horzel schätzt, dass heute ungefähr die Hälfte aller Solarzellen-Produzenten Verfahren einsetzen, die auf seine Entwicklung zurückgehen.

Ein guter Teil der Verbesserungen im Preis-Leistungsverhältnis gehen auf das Konto von deutschen und europäischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Sie haben dazu beigetragen, dass der Wirkungsgrad der Solarzellen entscheidend gesteigert werden konnte. Jörg Horzels Verdienst besteht konkret darin, dass er ein besonders vorteilhaftes Verfahren zur Dotierung von Solarzellen entwickelt hat. Dabei wird das Silizium sozusagen gezielt verunreinigt, damit die Elektronen sich in der Zelle bewegen können. Nur so kann elektrischer Strom entstehen, welcher die durch die Sonneneinstrahlung entstehende Energie weiterleitet.

Mit Hilfe der Dotierung werden bei der Herstellung einer Solarzelle zwei unterschiedliche Schichten angelegt, zwischen denen die Elektronen kreislaufförmig hin- und her wandern können. Die eine Schicht wird erzeugt durch das Hineinschmelzen von Bor-Atomen in das Silizium. Die andere Schicht entsteht durch das zusätzliche Einbringen von Phosphoratomen.

Bei Horzels Verfahren werden nicht alle, sondern lediglich bestimmte Areale der Solarzelle mit Phosphorpaste bedruckt. Ein gewünschter Nebeneffekt: Die benachbarten oberflächennahen Bereiche werden dabei automatisch ein wenig mitdotiert, weil die Phosphoratome bei den hohen Temperaturen indirekt über die Umgebungsatmosphäre auch in diese Bereiche gelangen.

„Selektive Emitter“ nennt man so hergestellte Bereiche in der Solarzelle. In den 90er Jahren war das Verfahren von Horzel der erste einfache selektive Emitter-Prozess für die Massenfertigung von Siliziumsolarzellen. Der Prozess zeichnete durch seine einfache Prozessabfolge und somit geringe Herstellungskosten aus – Eigenschaften, die auch heute, wo der Stand der Technik insgesamt weiter fortgeschritten ist, immer noch zutreffen.

Ein neuer Effizienz-Rekord

Ein paar Monate brauchten Horzel und sein Team, bis es ihnen gelang, den neuen Herstellungsprozess im Labor umzusetzen. Fünf Jahre dauerte es danach, um den entsprechenden industriellen Prozess zu gestalten. Der Wirkungsgrad der Solarzellen konnte auf diese Weise um 0,3 bis 1 Prozent gesteigert werden – absolut betrachtet. Gemessen daran, dass eine übliche Solarzelle in jenen Jahren einen Wirkungsgrad von um die 12 Prozent hatte, war dies Effizienz-Rekord.

Horzel schätzt, dass heute ungefähr die Hälfte aller Solarzellen-Produzenten Verfahren einsetzt, um „selektive Emitter“ herzustellen: „Prinzipiell könnten es alle verwenden, die kristalline Solarzellen herstellen.“ Und das sind neunzig Prozent oder mehr aller Hersteller.

Obwohl jedoch der von Horzel erfundene und von seinem Arbeitgeber patentierte Prozess der erste war, der die Produktion des selektiven Emitters auf industriell machbarem Niveau ermöglichte, kam das Verfahren in der ursprünglich geplanten Form niemals zum Einsatz. Das IMEC trat das Patent an seinen Spin-off Photovoltech, ab, welcher Mitte 2012 wieder von der Bildfläche verschwand. Photovoltech hatte sich exklusive Nutzungsrechte am patentierten Verfahren gesichert und hat so anderen die Nutzung verwehrt, um sich mögliche Vorteile zu sichern.

„Für mich ist es schade, dass meine Technologie blockiert wurde“, so Jörg Horzel heute.
„Für mich ist es schade, dass meine Technologie blockiert wurde“, so Jörg Horzel heute.

Ob das bestehende Patent für Nachfolger auf dem Markt eher ein Hindernis war oder eine Hilfe? Als Vorlage, meint Horzel, mag das patentierte Verfahren für den einen oder anderen durchaus von Vorteil gewesen sein: „Das veröffentlichte Patent zeigte: Wie kann ein einfacher Prozess aussehen? Was ist der Wirkungsgradvorteil, der ohne erhebliche Mehrkosten entsteht?“ Inzwischen gibt es zahlreiche industrielle Verfahren, die ebenso wie Horzels Erfindung zum „selektiven Emitter“ führen.

„Teilweise sind sie wesentlich komplexer als der einfache und kostengünstige Prozess, der im IMEC Forschungslabor erfunden wurde. Aber alle kommen zum gleichen Ziel“, meint Horzel. „Für mich ist es dennoch schade, dass meine Technologie blockiert wurde“.

Pech hatte im Übrigen nicht nur Jörg Horzel, sondern die gesamte Solarzellen-Industrie. Auch dies ist Teil der Erfolgsgeschichte: Ein guter Teil der Verbesserung im Preis-Leistungsverhältnis, welche in der jüngsten Vergangenheit erzielt wurde, geht nämlich nicht auf das Konto von Forschung und Entwicklung, sondern hat ganz andere Ursachen. Dank erheblicher Subventionen, konnten und können Solartechnologie-Produzenten vor allem aus China zu extrem günstigen Preisen anbieten.

„Heute liegen die Preise für Solarzellen häufig unter den Herstellungs-, wenn nicht sogar unter den Materialkosten“, konstatiert Horzel. Die Folgen sind bekannt: Viele derjenigen Anbieter, welche die Solarzelle dank effizienter Technologie überhaupt erst für den Massenmarkt erschlossen haben, mussten mittlerweile aufgeben.

Dennoch ist es nicht vergebens, weiterhin auf Forschung und Entwicklung zu setzen: Patente wie jenes auf den „selektiven Emitter“ (und ein knappes Dutzend weiterer, die Jörg Horzel innehat) sind ein sinnvolles Mittel, mit dem europäische Hersteller ihren Forschungsvorsprung sichern können.

Denn zumindest dann, wenn asiatische Hersteller nach Europa importieren wollen, müssen sie bestehende Patente entweder mit großem Aufwand umgehen oder diese aufkaufen. Darum kommt niemand herum, der auf wirtschaftlich effiziente Technologie setzt. Und langfristig wird es Effizienz sein, die sich auch am Markt durchsetzt.

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