Festakt für die besten Erfinder der Welt

Sechs Antworten auf bohrende Fragen unserer Zeit: In Amsterdam ist der Europäische Erfinderpreis verliehen worden. Unter den Gewinnern ist der Tüftler, der die Grundlage für Tablets und Smartphones geschaffen hat.

Wilson
von Thomas Trösch

Für Europas oberste Patentschützer bedeutet die Verleihung des Erfinderpreises eines der markantesten Daten in einer ganzen Reihe von Festakten, mit denen das Europäische Patentamt in diesem Jahr den 40. Jahrestag des Europäischen Patentübereinkommens begeht.

Amsterdam. Sie kommen aus Europa und anderen Teilen der Welt – und sie haben diese Welt ein Stückchen vorangebracht: Alljährlich seit 2006 ehrt das Europäische Patentamt (EPA) die besten Erfinder der Welt mit dem Europäischen Erfinderpreis. Beim diesjährigen Festakt am heutigen Dienstag in Amsterdam wurden insgesamt sechs Preisträger ausgezeichnet, in Anwesenheit von Prinzessin Beatrix der Niederlande, EU-Kommissar Michel Barnier, EPA-Präsident Benoit Battistelli sowie zahlreicher Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Dank der Entwicklungen von José Luis López Gómez zählt das Unternehmen Patentes Talgo heute zu den führenden Herstellern von Hochgeschwindigkeitszügen.
Preisverleihung in Amsterdam: Prinzessin Beatrix der Niederlande mit den Geehrten.
Quelle: PR

Anders als im vergangenen Jahr fanden sich diesmal keine Erfinder aus Deutschland unter den Geehrten. Stattdessen gingen die Preise in fünf verschiedene EU-Staaten, in der Kategorie „Außereuropäische Länder“ siegte der in den USA lebende indische Computerspezialist Ajay Bhatt. Er gilt als „Vater“ der USB-Schnittstelle, die mittels einfacher Steckverbindung eine reibungslose Kommunikation zwischen Computer und Peripheriegeräten ermöglicht. Die Anfang der 1990er Jahre von dem Intel-Forscher entwickelte Technologie wird heute als bedeutendste Computer-Erfindung nach dem Mikroprozessor angesehen und kommt in unzähligen Rechnern, Smartphones, Webcams und anderen Geräten zum Einsatz.

Sieger in der Kategorie „Industrie“ wurden die Österreicher Claus Hämmerle und Klaus Brüstle für ihre Entwicklung eines Dämpfungssystems für Möbelscharniere. Die patentierte „Blumotion“-Technologie ähnelt den Stoßdämpfern im Auto, mit ihr lassen sich Türen, Klappen und Auszüge sanft und leise schließen. Dem österreichischen Küchenhersteller Blum, der die Technologie vermarktet, bescherte „Blumotion“ einen satten Gewinnsprung auf rund 1,3 Mrd. Euro pro Jahr. Mittlerweile exportiert Blum das System in mehr als 100 Länder weltweit.

„Es ist eine besondere Auszeichnung für einen Ingenieur, wenn seine Arbeit von einer derart hochrangigen Jury ausgewählt wird“, sagte Hämmerle dem Handelsblatt am Rande der Feierlichkeiten. „Aber ich verstehe das auch als Auszeichnung aller an dem Projekt Blumotion beteiligten Mitarbeiter, deshalb treten wir hier auch als Team auf.“

Auch die Forschungen von Pål Nyrén haben die Tür zu einem Milliardenmarkt aufgestoßen. Der Schwede erhielt den Erfinderpreis in der Kategorie KMU für seine Entwicklung der sogenannten Pyrosequenzierung. Sie macht es heute möglich, ein menschliches Genom schnell und vergleichsweise kostengünstig zu entschlüsseln. Forscher erhoffen sich davon neue Behandlungsmöglichkeiten für lebensbedrohliche Krankheiten wie etwa Krebs.

Mittlerweile erzielt der Sequenzierungmarkt weltweit einen Jahresumsatz in Höhe von 1,6 Mrd. US-Dollar, für die nächsten vier Jahre wird ein Anstieg auf 2,2 Mrd. US-Dollar erwartet. Nyréns eigenes Unternehmen, einst für die Markteinführung der Pyrosequenzierung gegründet, wurde 2008 vom Biotech-Riesen Qiagen übernommen.

Mit dem Franzosen Patrick Couvreur wurde in der Kategorie Forschung ein Pionier der Nanomedizin ausgezeichnet. Ihm gelang es, Krebsmedikamente in winzige Kapseln zu packen und durch die Blutbahn an den Ort ihrer erwünschten Wirkung zu transportieren. Dank der Nanokapseln können die schädlichen Nebenwirkungen herkömmlicher Krebstherapien weitgehend vermieden werden, da die Medikamente gezielt an die Krebszellen herangeführt werden und kein gesundes Gewebe schädigen.

Besonders nützlich haben sich Couvreurs Nanokapseln für die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs erwiesen, an dem in Europa jährlich etwa 65.000 Menschen sterben und der nach Schätzungen für das Jahr 2015 weltweit 1,5 Milliarden US-Dollar Behandlungskosten verursachen wird.

Einen Preis für sein Lebenswerk erhielt der Schweizer Martin Schadt. Als Mitarbeiter von Hoffmann-LaRoche entwickelte er 1970 die erste Flüssigkristall-Anzeige, besser bekannt als LCD. Damit legte Schadt die Grundlagen für die Displays moderner Smartphones, Tablets und LCD-Fernseher. Ein Milliardengeschäft: Allein 2012 gingen 40 Millionen TV-Bildschirme mit dieser Technologie über die Ladentheken, weltweit wurde mit LCD-Geräten im vergangenen Jahr ein Umsatz von rund 100 Mrd. US-Dollar erzielt.

„Ich bin natürlich sehr stolz“, sagte Schadt im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Die meisten Preise, die ich bisher erhalten habe, stammten aus Nordamerika. Umso mehr freut es mich, dass mit diesem Preis nun auch hier in Europa gezeigt wird, dass Europäer gute Arbeit machen.“

Erstmals in der Geschichte des Europäischen Erfinderpreises wurde in Amsterdam auch ein Publikumspreis vergeben. Per Online-Abstimmung auf der Website des Europäischen Patentamts konnten Interessierte ihren Favoriten unter den 15 nominierten Erfindern wählen. Mit großem Vorsprung siegte hier der Spanier Jose Luis Lopez Gomez. Der Eisenbahningenieur hat mit seinen Erfindungen das Reisen in modernen Hochgeschwindigkeitszügen sicherer und bequemer gemacht.

Gomez‘ wichtigste Entwicklung ist eine spezielle Einzelradaufhängung, die die Position des Waggonrads auf der Schiene sichert und deutlich höhere Geschwindigkeiten in Kurven ermöglicht. Solche Entwicklungen haben Gomez‘ Arbeitgeber, das spanische Unternehmen Patentes Talgo, zu einer weltweit führenden Adresse unter den Herstellern von Hochgeschwindigkeitszügen gemacht.

„Mit ihren Entwicklungen haben alle Nominierten dazu beigetragen, unser tägliches Leben zu verbessern und unseren Wohlstand zu vermehren“, so EPA-Präsident Benoit Battistelli. „Diese wegweisenden Erfindungen belegen, dass Europa nach wie vor auf allen Gebieten der Technik weltweit eine führende Rolle einnimmt.“

Für Europas obersten Patentschützer bedeutet die Verleihung des Erfinderpreises eines der markantesten Daten in einer ganzen Reihe von Festakten, mit denen das Europäische Patentamt in diesem Jahr den 40. Jahrestag des Europäischen Patentübereinkommens begeht. Den Höhepunkt dieser Feierlichkeiten bilden ein wissenschaftliches Symposium und eine Gala am 17. Oktober in München.

 

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