ReportagePiratenjagd am Horn von Afrika

Mehr als 20 Schiffe und über 500 Menschen sind am Horn von Afrika in der Gewalt von Piraten. Handelsblatt Online begleitete die portugiesische Fregatte „Vasco da Gama“ Mitte April zehn Tage lang auf ihrer Jagd nach somalischen Piraten. Und mit einem Seeaufklärer der deutschen Marine  flog Reporter Florian Brückner über die Ostküste Somalias - über Camps und gekaperte Schiffe der Piraten.

Tag 05 – Die „Vasco da Gama“ glüht

Die See glitzert so gleißend in der Mittagssonne, dass es in den Augen weh tut. Keine Wolke am Himmel, keine Piraten in Sicht. Leichte Schaumkronen kräuseln sich am Bug der „NRP Vasco da Gama“. Fliegende Fische springen aus dem Wasser, breiten ihre Flügel aus, bis sie nach ein zwei Metern in der Luft wieder im Wasser verschwinden. Aber Korvettenkapitän João Fidalgo Neves kann dem Meer im Moment nichts Positives abgewinnen.

Schweißperlen stehen auf der Stirn des waffentechnischen Offiziers, als er auf dem Oberdeck in Richtung des dreidimensionalen Radars blinzelt. Das Gerät geht nicht mehr. Ein Elektronikbauteil ist kaputt. Aber mehr Sorgen bereitet Neves das Meer. Es ist zu warm. „Die Wassertemperatur liegt bei 29 bis 30 Grad“, sagt Neves. Vor der Küste Portugals sei das Wasser zwischen 15 und 20 Grad warm. Der Golf von Aden hingegen ist einzige große Badewanne.

Und da das Meerwasser über die Klimaanlagen zum Kühlen der technischen Anlagen eingesetzt wird, ist das ein echtes Problem. „Mit diesem Wasser lässt sich im Moment eigentlich gar nichts kühlen“, sagt Neves und lacht gequält. Irgendwann schaffen es die Kompressoren der Klimaanlage nicht mehr. Erst fällt die Air Condition aus, dann die Geräte. Ohne Kühlung geht nichts.

Gemeinsam mit seinen 27 Technikern versucht Neves Kommunikationssysteme und Waffen am Laufen zu halten – selbst wenn die Außentemperatur wie jetzt auf 35 Grad steigt. Vom 100 Millimeter Bordgeschütz bis hin zum Radar, fast alles muss gekühlt werden. Dass die „Vasco da Gama“ bereits 20 Jahre auf dem Buckel hat, macht Neves die Arbeit nicht leichter.

„All diese Systeme an Bord laufen ideal bis zu einer maximalen Wassertemperatur von 27 Grad“, sagt Neves als er sich vom Radar Richtung Heck aufmacht. Mehr geht auch, aber dann kommt es zu Fehlern.

Als der kalte Krieg vorbei, die Berliner Mauer gefallen war und mit dem Bau der „Vasco da Gama“ begonnen wurde, gehörte der Golf von Aden noch nicht zum möglichen Einsatzgebiet einer portugiesischen Fregatte. „Die Temperatur ist hier im Golf von Aden ein kritischer Faktor“, sagt Neves, während er ein Reparatur-Team an der Gatling-Kanone erreicht hat. „Der macht es uns schwer, in dieser Region zu arbeiten“.

Im Inneren der Fregatte sind alle wichtigen Systeme in grauen Containern untergebracht. Neves öffnet die Tür eines mannshohen Containers, der die Rechner des Fire Control Radars enthält. Kalte Luft strömt heraus. Neves ist nicht zufrieden. Ohne die exakte Temperatur zu kennen, weiß er, „es ist ein bisschen zu warm hier drin.“

Nicht nur für Computer ist die Hitze ein entscheidender Faktor. Gleiches gilt vor allem für die Menschen an Bord. Bereits kurz nach der Abfahrt aus Djibouti hatte es Probleme mit der Hauptklimaanlage gegeben. Ein Notfall. „Wenn in einem aus Stahl gefertigten Kriegsschiff die Kühlung ausfällt“, sagt der erste Offizier João Folgado Bargado unter Deck und breitet in einem der Gänge die Arme aus, „dann verwandelt sich das alles hier in einen Backofen. Und zwar binnen weniger Stunden.“

Einer der Kompressoren war letztlich wegen des zu warmen Meerwassers ausgefallen. Der Schaden war nach einer Stunde behoben, die Klimaanlage arbeitete wieder. „Und trotzdem hat man gespürt, wie die Temperatur angestiegen ist“, sagt Bargado. Immer wieder mussten wegen ähnlicher Ausfälle in den vergangenen Tagen Geräte abgeschaltet werden. Sogar die Operationszentrale war betroffen.

„Es gibt Teile des Schiffes, die für das Gelingen einer Mission von entscheidender Bedeutung sind. Die Klimaanlage ist so ein Teil“, sagt Bargado. Bei einem Totalausfall der Anlage wäre die Fahrt für die „Vasco da Gama vorbei“. „Wir könnten an Bord weder schlafen, noch richtig arbeiten.“ Und wenn einer der Kompressoren der Kühl- und Gefrierschränke wegen des zu warmen Wassers ausfallen würde? „Dann hätten wir binnen Stunden eine Menge verdorbener Lebensmittel an Bord.“

Ohne ihren dreidimensionalen Radar kann die „Vasco da Gama“ im Golf von Aden kreuzen, ohne Klimaanlage nicht.

Auf den Oberdecks der Vasco da Gama